Nicolaus zu Bentheim
Malerei, Zeichnungen, Kupferstiche
6. 11. 2008 – 11. 1. 2009
Die Gemälde und Zeichnungen Nicolaus zu Bentheims zeigen vertraute Figuren und Formen aus religionsgeschichtlichen, antiken und anderen historischen Kontexten sowie dem persönlichen Erleben und Begegnen. Auf den zweiten Blick offenbaren sie eine gebrochene Ordnung von verstörender Anarchie.
Detailreich und mit präzisem Strich versammelt er wie auf einer imaginären Bühne sein archaisches Personal, spielt mit den Zeiten und Perspektiven und lässt das Vertraute ins Rätselhafte umschwingen.
Als kritisch beobachtender Geist schafft er surreale Werke mit bestürzender Poesie auf dem Hintergrund seiner persönlichen Gefühlswelt.
Der heute 83 jährige Nicolaus zu Bentheim lebt seit drei Jahren wieder im Kreis Gütersloh, nachdem er viele Jahrzehnte als freier Grafiker, Maler und Messedesigner an verschiedenen Orten gelebt und gearbeitet hat, davon allein mehr als 30 Jahre in Rom. Die Ausstellung wird eine Auswahl von ca. 50 Arbeiten aus allen Schaffensperioden zeigen. Dazu erscheint eine Katalogbroschüre mit zahlreichen Abbildungen und einem Text von Gesche Tietjens.
Abb.
Das rollende Kolosseum, 1978/79/82,
Mischtechnik a. Holz, 75 x 100 cm
© Nicolaus zu Bentheim, 2008
Zur Ausstellung erscheint eine 24-seitige Katalogbroschüre mit zahlreichen Farbabbildungen und einem Textbeitrag von Gesche Tietjens
Preis: 5,00 EUR zzgl. 1,45 EUR Versand
Labyrinthe-Gesellschaft für phantastische und visionäre Kunst
Gesche Tietjens
„Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang“
Zum Werk Nicolaus zu Bentheim
Bentheims Kunst ist streng – und steinig.
Sie nimmt den Betrachter nur selten heiter-siebensinnig bei der Hand, um ihn in Alices komisch-entsetzliche Fabelwelt zu führen. Und doch steht sie zu eben jener in einem verwandten Verhältnis: Auch Bentheims Tableaus zitieren eine identifizierbare Wirklichkeit von Figuren und Dingen, scharf begrenzt von Licht und Schlagschatten, die unmittelbar kenntlich scheinen.
Auch Bentheims Bilder kippen beim zweiten Blick in eine Unordnung, eine beklemmende Anarchie, entbergen ein „verrücktes“ archaisches Personal, würfeln mit Zeiten, Perspektiven, der Levitation, unhörbarer Tönen, „mit Metaphern“, wie Nietzsche einst vorschlug.
Auch sie rochieren zwischen Sein und Schein. Nur dass die Bilder Bentheims auf tiefschwarzen, jäheren Umschwüngen insistieren. Und dass Bentheim zu alledem ein lebenslanger Einzelner war und ist, löst unweigerlich allerlei Normierendes aus:
Ein Symbolist!? Ein Eklektiker!?
Ein Manierist!? Ein Surrealist!?
Ein Polyhistor magischer Bildikonen!?
Ein sarkastischer Schauspieldirektor!?
Ein zeitgenössischer Hieronymus Bosch mit Neigung zu Psychoanalyse und Sport, den beiden letzten großen antiken Welten in der Moderne!?
Selten berühren Etikette, Schlagworte mehr als periphere Aspekte. Sie dienen weit eher der Abwehr des Ungewohnten und der Bestätigung der eigenen Gescheitheit.
Dabei gewährt ein erster, aufmerksamer Blick auf Bentheims ä u ß e r e S t i l m i t t e l einen viel genaueren Hinweis auf sein besonderes, oft ironisches Pathos: Die überraschend großen Formate der – Bleistiftzeichnungen (üblicherweise sonst eher eine intime Technik). Ihr diszipliniertes, feines Schraffur-Netz entfaltet tatsächlich eine monumentale Bildwirkung – aus der Ferne, in der Nähe.
Die klassische malerische Präzision der Gemälde, die an keiner Stelle ins Vage abgleiten (nie „roh“ oder „dünn“ werden). Sie beruhen immer auf originaler Konzeption – nicht etwa auf übermalten Projektionen, Fotos und ähnlichen mechanistischen Kniffen.
Die fast schmerzhaft mimetischen, zugleich rätselhaft verschlossenen Bleistiftzeichnungen vor der Natur. Pflanzen, Landschaften, Architekturen, auch Schrott, die in kühler Plastizität für alle Ewigkeiten fixiert scheinen.
Die metallische Strenge und Feinheit der Kupferstiche, deren sublime Strichtechnik hohe „Linienempfindlichkeit“ und umfassende Vorausschau fordern.
Bentheim ist primär ein faszinierter und faszinierender Meisterhandwerker.
Der klassischen Technik steht die abweisende, verstörende B e d e u t u n g seiner Arbeiten entgegen. Oder wird überhaupt erst jetzt, mit der Teil-Entzifferung seiner verzerrten, gebannten, fragmentarisierten Mischwesen, die Widersprüchlichkeit und dialektische Spannung erzeugt, ohne die Bilder „flach“ wären?
Ambivalenz der Ästhetik: Dass das Schöne (hier der Stil) erst dann „vollständig“ wird, wenn es mit dem Unharmonischen, Erschreckenden kontrastiert wird. Das ist ein alter Topos der Kunst, keineswegs etwa Erfindung der Moderne.
Anspielungen, oft nur bruchstückhaft, aus Legende, Geschichte, Mythos, sich überlagernd, verschoben, grotesk überzeichnet, sind zu erkennen, isolierte Relikte aus Antike und Religionsgeschichte flammen wie Halluzinationen auf, treten zu wüsten und drohenden Szenarios zusammen.
Die Fülle des Möglichen, die in Tagträumen und Visionen aufbricht, die man nur versuchen kann, zu registrieren (wie nach Diktat!), n i c h t d e u t e n, machen Bentheims Bilder so sperrig und – tiefenwirksam. Nicht weil es gelehrte Collagen eines verabschiedeten Bilderwissens wären, sondern gerade weil diese Bilderinnerungen vollkommen subjektiv mit anarchischem Furor aufgeladen wurden.
Bentheims scharfer archäologischer Blick (man kann auch sagen stereoskopischer Blick ) auf die Gleichzeitigkeit der Zeiten und die Relativität von Fortschritt ,der so emsig und eindimensional in der Moderne „optimiert“ wird, repetiert immer wieder dies: Die Brüchigkeit und Hinfälligkeit (der Mauern, des „sicheren“ Bodens, des Eises, der jeweiligen heiligen geistigen Gewissheiten), die eine narzisstische Welt so notorisch zu verdrängen pflegt.
Mit freundlicher Genehmigung
Gesche Tietjens,
geboren 1943 in Hamburg.
Grafikerin (Studium 1962 – 1966 in Hamburg)
Herausgeberin von 4 Büchern zu Horst Janssen (Rowohlt).
Sie lebt als freie Autorin in Schleswig Holstein.
Foto: Doris Pieper – Die Glocke
Mit freundlicher Genehmigung